A-Tag 2010

Der A-Tag ist eine seit 2006 jährlich stattfindende Konferenz rund um das Thema Accessibility bzw. das barrierefreie Internet. Stattgefunden hat das ganze dieses Jahr am 5. November im TechGate in Wien, und zwar im 19. Stock. Also ganz oben! Super Räume, jedoch leider effektiv ohne Steckdosen, aber es gibt immer Wege ;-) Und diese Räume waren mit irgendwo zwischen 160 und 190 Personen sehr gut gefüllt.

Absolute toll ist hierbei auch, dass die Teilnahme kostenlos ist, da u.a. auch das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend sponsort. Also: Web-Firmen Österreichs, schickt nächstes Jahr zumindest einen Vertreter hin! :-)

Vortragsmässig wurde sehr viel und sehr Diverses geboten: Von einem allgemeinen Überblick über Accessibility auf Plattformen von PC bis iPad über Neues im Bereich von HTML5 und CSS3 bis hin zu was Webentwickler von Cowboys lernen können.


Angefangen hat alles um 0930 Uhr mit einer Begrüßung durch einen Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend, auch bekannt unter dem Namen Robert Lender, den vermutlich jeder in der österreichischen Accessibility-, Barcamp- und Photowalk-Szene kennt. Danach ging es auch schon voll zur Sache:

Vorträge

Formvollendet

Im ersten Vortrag beschrieb dann Peter Minarik von Wienfluss_ gutes Form-Design in Kombination mit einem von Wienfluss entwickeltem Framework, das die Einbindung von Dingen wie Tooltips, WAI-ARIA-Roles etc. erleichtern soll. Er brachte auch ein paar gute Punkte vor, wie z.B. Hilfsinformation zu Formularelementen angezeigt werden sollte, d.h. sie sollte während des Editiervorgangs dem User zugänglich sein und nicht den Arbeitsfluss durch modale Elemente unterbrechen.

Auch ist die Verwendung des title-Attributs für Tooltips problematisch, da die Anzeige dessen nicht mitzoomt, wenn der restliche Seitentext vergrößert wird.

Weiters scheint onBlur-Validierung (also die Validierung, sobald ein Element den Fokus verliert) allgemein langsam aber sich die beste Form der clientseitige Validierung zu werden. *zustimm*

Barrierefreiheit zum Anfassen

Gleich darauf gab Marco Zehe (Mozilla) einen Überblick über die Accessibility-Situation auf diversen Plattformen und was Apple mit der gesamten iOS-Schiene und OSX >= 10.4 für Blinde geleistet hat.

Ich war hier ein bisschen traurig zu hören, dass Microsoft es mit Windows Phone 7 leider nicht einmal ansatzweise geschafft hat, eine brauchbare Plattform aus Accessibility-Sicht zu schaffen.

Wie? Mein WordPresse-Theme geht auch barrierefrei!

Nach einer kurzen Pause beschrieb Sylvia Egger Probleme mit dem neuen Default-Theme von WordPress (TwentyTen) und stellt auch ihre Arbeiten an einer verbesserten Variante vor, das sie auch rechtzeitig zum A-Tag auch in der Version 1.0 ins Netz gestellt hat.

Irgendwie echt seltsam, dass WordPress scheinbar die ganze Accessibility-Einstellungen in TinyMCE standardmäßig deaktiviert hat :-/

Relaunch wien.at

Das erste von zwei Großprojekten, das während der Konferenz behandelt wurde, war wien.at_ und der kürzliche Relaunch der nun schon 15 Jahre alten Website der Stadt Wien. Hierbei lag vor allem die Video-Komponente samt CMS im Fokus der Präsentation, da für den Inhalt sowohl Transkripte als auch Untertitel angeboten werden.

Das im Rahmen dieses Relaunches zusammengestellte Framework ist frei (derzeit leider noch unter GPL) auf accessibility.at verfügbar.

Für die Erstellung der Untertitel kommt subtitle-horse zum Einsatz, welches während der Präsentation als “open source” bezeichnet wurde. Eine Beschreibung, die jedoch nach weiterer Diskussion scheinbar nicht aufrechterhalten werden konnte. Eine interessante Situation ;-)

Mainstream Accessibility

In der letzten Präsentation vor dem Mittagessen zeigte Klaus Miesenberger auf, dass Accessibility leider noch immer nicht mainstream ist und unbedingt in der Jugendkultur und den Köpfen eines jeden verankert werden muss, damit sie auch durchgehend eingefordert und die Notwendigkeit nicht immer wieder hinterfragt wird. Auf EU-Ebene wurde in diesem Rahmen das Projekt eAccess+ ins Leben gerufen, das scheinbar als Content-Hub für Themen rund um eAccessiblity dienen soll.

Barrierefreiheit leicht gemacht dank Mojo, Twitter und Konsorten

Nach einem ausgiebigen und verwehten (auf der Terrasse war einfach am meisten Platz ;-)) Mittagessen ging es weiter mit einer Präsentation von Philip Naderer über die Bestrebung von orf.at hin zur größten accessible Website Österreichs.

Beginnend mit dem Redesign der Futurezone 2008 auf Basis der WCAG 2.0 ist derzeit Level AA bzw. sogar AAA ständiges Ziel der Weiterentwicklung des Online-Angebotes. Aufgrund der Contentlastigkeit der Seite(n) mussten auch die Redakteure stark eingebunden werden und wurden mit einem rund 30-seitigen Styleguide ausgerüstet, der 4 Seiten alleine der Barrierefreiheit widmet.

Getestet wird in JAWS 10-12, NVDA und sämtlichen aktuellen Mainstream-Browsern bis hinunter zum IE6, wobei für diesen diverse Komponenten komplett ausgeblendet werden, wenn sie nicht sinnvoll umsetzbar sind. In diesem Zusammenhang wurde IE6 als “Bürobrowser” bezeichnet, da er eigentlich nur noch zu typischen Büropausenzeiten und kurz vor Dienstschluss relevant wird.

Jetzt müssten nur noch diverse Großunternehmen davon überzeugt werden, dass es doch sehr seltsam (und extrem schädlich für alle Beteiligten) ist, dass sie einen Browser verwenden (und erzwingen) der vermutlich doppelt so alt ist, wie das älteste Auto in ihrem Fuhrpark ;-)

Frische Webtechniken

Als nächstes war Eric Eggert mit einem Vortrag über HTML5, CSS3 und mehr (auch kurz NEWT = New Exciting Web Technologies) an der Reihe. Der Begriff “NEWT” fasst es dann auch sehr gut zusammen :-) Nur ein paar Links:

Was Webentwickler von Cowboys lernen können

Der abschließende Talk war Tomas Caspers vorbehalten, der von einer Reise in die USA auf eine Cowboy-Ranch berichtet und welche Erfahrungen er daraus gewonnen hat, die man auf das Berufsleben und damit natürlich auch auf die Arbeit als Web-Entwickler umlegen kann. Ein Beispiel hierfür war, dass Multitasking in der Regel einfach nicht wirklich funktioniert. Manchmal ein notwendiges Übel, sollte es jedoch möglichst vermieden werden.

Zusammenfassend…

… kann ich den Organisatoren und Vortragenden nur ein Riesenlob und ein großes Dankeschön für einen sehr informativen und unterhaltsamen Tag mit viel Networking aussprachen. Wenn ich kann, würde ich nächstes Jahr gerne wieder kommen.